Führungsdilemma: delegieren vs. selbst erledigen
Ein Thema, das uns in unserer Arbeit mit Führungskräften immer wieder begegnet: der Spagat zwischen Delegieren von Aufgaben und „das erledige ich lieber selbst“. Vielleicht weil es schneller geht, ich es besser kann oder ich einfach Freude an der Arbeit habe. Aber was ist mit meinen Aufgaben als Führungskraft? Bleibt dafür genug Zeit? Was kann ich abgeben und wie gehe ich dabei am besten vor? Schauen wir uns das Thema Delegieren doch mal etwas detaillierter an.
Warum sollte ich überhaupt Aufgaben oder Teile davon delegieren? Was für einen Nutzen haben mein Team und ich davon? Der wichtigste Grund: Weil du Zeit benötigst, um deine strategischen Führungsaufgaben wahrnehmen zu können. Und es geht auch um deine Entlastung.
„Entlastung“ heißt nicht, dass du dich von einer Last befreist und sie jemand anderem aufdrückst. Die Frage ist: Wie nutzt du die Ressourcen in deinem Team sinnvoll? Wir erfahren in unserer Arbeit immer wieder, wie hoch die Arbeitslast für Führungskräfte ist: Sie stehen dem Team zur Seite, sind ins operative Tagesgeschäft eingebunden und müssen ihren strategischen Führungsaufgaben gerecht werden.
„Wer seiner Führungsrolle gerecht werden will, muss genug Vernunft besitzen, um die Aufgaben den richtigen Leuten zu übertragen, und genügend Selbstdisziplin, um ihnen nicht ins Handwerk zu pfuschen.“
Theodore Roosevelt (1858-1919), 26. Präsident der USA
Delegation bedeutet Personalentwicklung
Auch deine Teammitglieder haben einen großen Nutzen, wenn du Aufgaben delegierst: Sie können ihre Potenziale besser einbringen. Delegation bedeutet für sie Partizipation, Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit. Sie können sich weiterentwickeln, neue Kompetenzen erwerben und gleichzeitig Entscheidungsfreiheit und Gestaltungsmöglichkeit erhöhen. Das alles gelingt nicht, wenn alle Entscheidungen und Umsetzungen bei dir liegen. Dazu musst du Aufgaben und Verantwortung abgeben können.
Vielleicht kommt von dir jetzt der Einwand, dass du aber Zeit investieren musst, um deine Teammitglieder so zu schulen, dass sie bestimmte Aufgaben übernehmen können. Ja, du hast recht. Aber diese Investition macht sich bezahlt, denn du wirst dadurch mittel- und langfristig entlastet und bekommst Zeit für deine eigentlichen Aufgaben.
Kannst du heutzutage in der schnelllebigen Zeit überhaupt noch alleine den Überblick behalten? Eine Führungskraft braucht heute mehrere Augen, mehrere Ohren und mehr Hirn für gute Entscheidungen. Dein Team kann sogar in Strategiefragen eingebunden werden. Sie sind schließlich im operativen Geschäft, nahe am Kunden, kennen die Bedürfnisse und Herausforderungen eurer Zielgruppe aus der alltäglichen Arbeit. Je diverser das Team, desto höher die Chance auf sich verändernde Rahmenbedingungen. Und mit Diversität ist in diesem Zusammenhang nicht Geschlecht, Alter oder ethische Herkunft gemeint, sondern Themen, Schwerpunkte, Teampräferenzen und der Wille jedes einzelnen Teammitglieds zu lernen. Wer macht was gerne, wer kann was besonders gut? Nutze diese Potenziale und Präferenzen für euer gemeinsames Weiterkommen.
Welche Aufgaben können abgegeben werden?
Klassische Führungsaufgaben wie Strategie, Gesundheit, Motivation, Weiterentwicklung oder Mitarbeitendengespräche können natürlich nicht abgegeben werden, aber wie ist es zum Beispiel mit der Terminvergabe für die Gespräche? Beobachte dich doch mal einen gewissen Zeitraum selbst: Wie arbeitest du? Welche Aufgaben machst du regelmäßig? Bei sich wiederholenden Aufgaben entstehen Routinen, die sich leicht weitergeben lassen. Kannst du Elemente aus deinen Kernaufgaben herauslösen und Teilaufgaben abgeben? Was sind denn wirklich Führungsaufgaben (dazu kannst du auch gerne unsere Podcastfolge „Traumberuf ChefIn“ anhören)? Und ein weiterer Ratschlag: Gib die Frage in dein Team weiter, wer Lust hat, bestimmte Aufgaben zu übernehmen.
Was hemmt dich, Aufgaben zu delegieren?
Unsere Top-8-Liste der größten Hemmungen, Aufgaben zu delegieren:
- Das wird nur gut, wenn ich es selbst mache.
- Das geht schneller, wenn ich es selbst mache, bevor ich es lang erkläre.
- Ich mache diese Aufgaben selbst gerne, sie machen mir Spaß.
- Ich habe Angst, überflüssig zu werden. Und ich weiß nicht, was nachkommt, wenn ich diese Aufgabe loslasse.
- Ich habe Angst davor, meinen Status zu verlieren.
- Ich habe keine Lust auf Rückfragen aus dem Team (Gesichtsverlust). Wenn ich es selbst mache, kann ich selbst recherchieren, wenn ich etwas nicht weiß.
- Ich habe kein Vertrauen in das Können meiner Teammitglieder oder in meine eigene Delegationsfähigkeit (Hier könnte unsere Podcastfolge „Vertrauensfrage“ spannend für dich sein).
- Ich möchte meinem Team gerne bei seinen Aufgaben helfen.
Hast du dich ertappt, bei einem oder mehreren Punkten zu nicken und zu denken: Ja, das kommt mir bekannt vor? Dann haben wir jetzt noch einige Tipps, Tricks und Tools für dich, wie du das Thema Delegation schrittweise angehen und umsetzen kannst.
Schritt 1: Ist-Soll-Abgleich – Bestandsaufnahme für einen „Delegationsentwicklungsplan“
Zeit für eine Bestandsaufnahme: Was sind deine Aufgaben und was übernimmst du, was gar nicht deine Aufgabe ist? Was delegierst du bereits – ganz oder teilweise? Mach diese Bestandsaufnahme doch einfach mal schriftlich. Schaue dann auf deine Liste und hinterfrage ehrlich und möglichst ohne Emotionen: Was steht da wirklich und was sollte da vielleicht stehen? Welche Aufgaben stehen da, weil sie mir einfach Spaß machen, weil ich sie gut kann oder die ich vielleicht übernommen habe, weil ich als Fachkraft in die Führungskraftrolle gewachsen bin? Was solltest du in deiner Rolle tatsächlich tun und was gehört nicht auf deinen Schreibtisch? Welche Aufgaben liegen bei dir, die aber im Team gut übernommen werden könnten?
Schritt 2: Delegationsstufen – dynamisch an die Anforderungen anpassen
Mach dir bewusst, dass es unterschiedliche Stufen von Delegation gibt, die du je nach Person und Aufgabe unterschiedlich einsetzen kannst. Delegation ist immer dynamisch: Aufgaben verändern sich, Beziehungen verändern sich. Daher kann Delegation immer neu überarbeitet und angepasst werden.
„Null Delegation“ bedeutet: Ich mache alles alleine. Das Gegenteil wäre „volle Delegation“: Das Teammitglied recherchiert etwas, entscheidet, setzt eigenverantwortlich um und informiert die Führungskraft (vor oder nach der Umsetzung) über die Vorgehensweise. Dazwischen gibt es Abstufungen: Das Teammitglied recherchiert etwas, legt die Ergebnisse der Führungskraft vor und diese entscheidet. Oder das Teammitglied erarbeitet etwas, fragt die Führungskraft nach deren Meinung und entscheidet dann selbstständig.
Wie sag ich‘s meinem Team?
Im Team muss Verständnis für Führung vorhanden sein, dass nicht der Eindruck entsteht, du wolltest nur Arbeit abgeben, um dann am Strand liegen zu können. Informiere deshalb dein Team darüber, was deine Aufgaben als Führungskraft sind – 80 Prozent von Team und Führungskraft sind sich darüber meist nicht im Klaren – und kommuniziere, dass du dich von operativen Aufgaben lösen möchtest. Unserer Erfahrung nach wird in Teams häufig eine langfristige Planung vermisst – auch das ist eine Führungsaufgabe, die im operativen Alltag nicht vernachlässigt werden darf. Führungsarbeit ist kein Sprint, sondern ein Marathon.
Nun bleibt uns zum Abschluss nur noch zu sagen: Startet das Experiment Delegation, wachst gemeinsam, macht gemeinsam Fehler und lernt gemeinsam Neues. Seid neugierig und nicht zu vergessen: Habt Spaß dabei.
Steig noch weiter in das Thema ein mit dem Herz & Hirn Podcast
Hör auch in unseren Podcast zum selben Thema rein: „Führungsdilemma: Delegieren vs. selbst erledigen“. Teil 1 findest du hier und Teil 2 hier
Unter www.herzundhirn.de findest du viele interessante Podcastfolgen zum Thema Führung, die neue Arbeitswelt für Führungskräfte und Arbeitnehmende. Zusammenarbeit verändert sich. Führung. Kulturen. Lebensmodelle und Karrieren. Wie kannst du diesen Änderungen begegnen, in deiner Rolle (Führungskraft, Mitarbeiter/in…) und als Mensch? All das und noch viel mehr findest du bei „Herz & Hirn“
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